Berufsfelder

Arbeitgeber: Haben Sie Legastheniker im Betrieb?

Legasthenie Berufsfelder
Quelle: Maturaarbeit „Legasthenie in der Berufswelt“ (2015)

Die Befragung „Legasthenie in der Berufswelt“ ergab: Jedes fünfte Unternehmen hat Legastheniker im Betrieb. 33% der Betriebe in der Branche Ingenieurwesen haben Legastheniker angestellt. Im Gesundheitswesen und in der Marketing- und Kommunikationsbranche sind in ca. 20% der Unternehmen Legastheniker beschäftigt.

67% der Arbeitgeber im Ingenieurwesen würden einen Arbeitnehmer trotz Legasthenie einstellen. Im Gesundheitswesen sind es nur 50% und in der Branche Marketing und Kommunikation lediglich 42%. Die Zahlen können so interpretiert werden, dass die Einstellungen von Legasthenikern abhängig von der Bedeutung der Rechtschreibung im Beruf ist.

Laut dem Österreichischem Dachverband Legasthenie sind in technischen und kreativen Branchen am meisten Legastheniker beschäftigt und eher weniger in Berufen, wo sehr viel Schriftliches anfällt.

Dies heisst natürlich nicht, dass Legastheniker keine Berufe wählen können, bei denen das Schreiben zentral ist. Es wäre spannend zu untersuchen, ob Legastheniker häufig nicht ihre Traumberufe wegen der Lese- und Rechtschreibfähigkeit wählen. Unter Umständen haben sich die Betroffenen ja dennoch dazu entschieden und kompensieren ihr Defizit mit Fleiss, Schreibhilfen und anderen Mechanismen.*

Deine Meinung:


*Brockes, Sabrina (2015): Legasthenie in der Berufswelt, Wil: Kantonsschule Wil. 

Wie häufig kommt eine Legasthenie vor?

Im deutschsprachigen Raum geht man davon aus, dass ca. 5% der Bevölkerung eine Legasthenie haben.* Somit ist davon auszugehen, dass es in Deutschland ca. 3 Millionen und in der Schweiz und Österreich ca. 400 Tausend Legastheniker gibt.

Allerdings ist es schwierig, die genaue Anzahl von Legasthenikern zu nennen, da viele Betroffene gar nicht wissen, dass sie eine Legasthenie haben. Gründe hierfür sind:

  • Früher wurde die Legasthenie nicht in der Schule abgeklärt
  • Legastheniker haben sich gute Kompensationsmechanismen angeeignet
  • Legastheniker haben frühestmöglich die Schule verlassen

Weltweit liegt die Legasthenie-Rate zwischen 3-20%. Die Angaben schwanken, da der Anteil der Legastheniker zwischen den Ländern variiert. Unterschiedliche Definitionen, wann eine Legasthenie vorliegt, sowie auch die Schwierigkeit der Sprache sind Ursachen dafür. Beispielsweise wird im Italienischen meistens ein Wort so geschrieben, wie es auch gesprochen wird (und umgekehrt). Hingegen sind im Englischen die Schreib- und Sprechweisen oft sehr unterschiedlich.*

Legasthenie Häufigkeit

Deine Meinung:


*Lichtsteiler Müller, Monika (2013): Dyslexie, Dyskalkulie. Chancengleichheit in Berufsbildung, Mittelschule und Hochschule, 2. Aufl., Bern: hep Verlag.

 

Symptome 

Die Symptome der Legasthenie sind sehr unterschiedlich. Auch Legastheniker haben unterschiedliche Stärken und Schwächen wie Nicht-Legastheniker auch.

In der Regel sind die Probleme beim Lesen und lautgetreuen Schreiben im Schulalter am zentralsten. Später ist die Hauptproblematik die Rechtschreibung. Im Vordergrund sind Regelfehler: beispielsweise Gross- und Kleinschreibung und das Falschschreiben von Ausnahmen. 1

Im Freundes- und Familienkreis bewältigen Legastheniker eher die Probleme, in der Öffentlichkeit geraten sie unter Stress und die Legasthenie wird offensichtlich.2

Im Folgenden sind die Symptome genauer ausgeführt:

Probleme beim Lesen

  • stockendes, unsicheres und langsames Lesen
  • Interpunktion wird nicht beachtet (Kommas, Punkte etc.)Symptome und Legasthenie
  • monotones Lesen
  • Auslassen oder Hinzufügen von Wörtern
  • Zeilen gehen beim Lesen verloren
  • Wörter werden verbunden
  • Lesen, ohne Inhalt zu verstehen

Probleme beim Schreiben

  • langsames Schreiben
  • Interpunktionen werden nicht beachtet (Kommas und Punkte)
  • Regelfehler (z.B. Gross- und Kleinschreibung)
  • Verwechslung von Buchstaben(d-b, d-t…)
  • Auslassen von Buchstaben und Wörtern
  • Worte werden nicht fertig geschrieben
  • massive Fehler trotz Üben

Weitere Symptome

  • Aufmerksamkeitsprobleme
  • Wahrnehmungsstörungen (akustisch und visuell)
  • Motorik (unklare Schrift, allgemeine Ungeschicklichkeit, Gleichgewichtsprobleme)
  • geringe Merkfähigkeit
  • weitere begleitenden Verhaltensauffälligkeiten: Angstsymptome, geringes Selbstwertgefühl, Kopfschmerzen… 3 

 

Deine Meinung:


 

  1. Lichtsteiler Müller, Monika (2013): Dyslexie, Dyskalkulie. Chancengleichheit in Berufsbildung, Mittelschule und Hochschule, 2. Aufl., Bern: hep Verlag.
  2.  Schulte-Körne, Gerd und Thomé, Günther (2014): LRS – Legasthenie: interdisziplinär, Oldenburg: isb.
  3.  Legatrain – Pädagogische Praxis: Ursachen und Symptome einer Legasthenie, http://www.legatrain.de/wp/legasthenie/ (09.07.2018).

Legasthenie Definition

Bis heute gibt es keine einheitliche Legasthenie-Definition. Mediziner, Pädagogen und Psychologen haben unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema.

Laut Herkunftswörterbuch stammt die Legasthenie aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „Leseschwäche“. Dabei wird aber vergessen, dass die Legasthenie auch Rechtschreibschwierigkeiten und andere Symptome mit sich bringt.

In vielen Definitionen wird die Legasthenie als Teilleistungsstörung mit dem Hintergrund einer normalen Intelligenz angesehen. 1

Im weltweit anerkannten Diagnoseklassifikationssystem der Medizin, das von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegeben wird, ist eine Lese- und Rechtschreibstörung vorhanden, wenn die Lese- und Rechtschreibfähigkeiten unter dem Niveau liegen, welche man vom Alter, der Intelligenz und dem Schulniveau erwarten würde. Ausserdem kann das Defizit nicht anhand von Hirnschädigungen oder anderen Erkrankungen erklärt werden. Im Schulalter kann man neben der Lese- und Rechtschreibstörung auch Störungen im emotionalen Verhalten erkennen. Oft gehen auch Entwicklungsstörungen des Sprechens und der Sprache voraus. Die WHO unterscheidet zwischen:

Legasthenie Definition

F81.0 Lese- und Rechtschreibstörung
F81.1 Isolierte Rechtschreibstörung
F81.2 Rechenstörung
-> Dyskalkulie
F81.3 Kombinierte Störung schulischer Fertigkeiten
-> Restkategorie: Probleme beim Rechnen, Lesen und Schreiben

Eine pädagogische Definition stammt von Dr. Astrid Kopp-Duller

„Ein legasthener/dyskalkuler Mensch, bei guter oder durchschnittlicher Intelligenz, nimmt seine Umwelt differenziert anders wahr, seine Aufmerksamkeit lässt, wenn er auf Symbole wie Buchstaben oder Zahlen trifft, nach, da er sie durch seine differenzierten Teilleistungen anders empfindet als nicht legasthene/dyskalkule Menschen. Dadurch ergeben sich Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens, Schreibens oder Rechnens.“  – Dr. Astrid Kopp-Duller, 1995. 2

Eine weitere Definition ist die von der Britischen Psychologischen Gesellschaft, welche vom englischen Parlament akzeptiert wurde:

„Eine Legasthenie liegt offensichtlich dann vor, wenn akkurates flüssiges Wortlesen bzw. -schreiben sich nicht vollständig oder nur mit grossen Schwierigkeiten entwickelt. Im Brennpunkt steht dabei ein schweres und anhaltendes Problem mit dem Lesen- und Schreibenlernen auf der Wortebene trotz angemessener Beschulung. Dies ist die Ausgangsbasis für einen stufenweise sehr genau zu überwachenden Lernprozess.“ 3

Für die Zukunft ist zu hoffen, dass die Experten aus den verschiedenen Richtungen an einer gemeinsamen Legasthenie-Definition arbeiten und zusammen Trainingsmethoden entwickeln.

Deine Meinung:


  1. Kanaleiter, Uwe (1999): Soziale Komplikationen der Legasthenie. Konzeptionelle und methodische Aspekte der Sozialarbeit im Umgang mit Betroffenen, Hamburg: Diplomica Verlag GmbH.
  2. Pailer-Duller, Livia R und Kopp-Duller, Astrid (2015): Legasthenie-Dyskalkulie!?, Klagenfurt am Wörthersee: KLL Verlag.
  3. Mieland, Mirko und Kollender, Claudia (2009): Legasthenie – Ein Ratgeber für Eltern, Lehrer, Interessierte und Betroffene!, Nordersted: Books on Demand.